Der Strompreis und die Energiebörse EEX
Der Strompreis und die Energiebörse EEX
Wer sich fragt, wie der Preis für Strom zu Stande kommt, muss sich etwas näher auf die Fragestellung einlassen – die darüber hinaus leider nicht einmal vollständig beantwortet werden kann. Doch der Reihe nach …
European Energy (EEX), Leipzig
Einen wesentlichen Anteil an der Bildung des deutschen (und auch europäischen) Strom-Handelspreises hat die in Leipzig ansässige Energiebörse European Energy (EEX). Sie entstand im Jahr 2002 aus der Fusion der damals noch in Frankfurt/Main beheimateten Börse EEX mit der Strombörse Leipzig Power Exchange (LPX). Sie wurde durch den Zusammenschluss die größte kontinentaleuropäische Energiebörse bezüglich Teilnehmeranzahl und Handelsvolumen: Hier kaufen und verkaufen 170 Handelsteilnehmer aus 19 Ländern Strom, Gas, Kohle und Emissionszertifikate und bestimmen so die Bildung der Handelspreise.
Handelspreise und Lieferverträge
Nun muss man allerdings wissen, dass der überwiegende Teil der Stromlieferanten seinen Stromanteil gar nicht über die Strombörse EEX bezieht! Lediglich 15 Prozent der insgesamt in Deutschland verbrauchten Strommenge beruht auf dem an der Börse gehandelten Jahresvolumen an Strom. Die restlichen 85 Prozent kommen über direkte Lieferverträge in den Handel. Nichts desto trotz sind die an der Strombörse ermittelten Handelspreise von allgemeiner Relevanz, da sie als Referenz- und Standardwerte zur Preisbildung für die Lieferverträge dienen.
Börsenparkett und Preisgestaltung
Wie an allen Börsen bestimmen natürlich auch an der EEX größere Wirkungszusammenhänge wie der allgemeine Zeitfaktor oder eine Unternehmenspolitik die Preisgestaltung: Real hängen die Kosten der Stromversorger und -händler davon ab, zu welchem Zeitpunkt wie viel Strom zu welchem Preis eingekauft wird. Naturgemäß ist die Einkaufspolitik der Energieunternehmen ein Buch mit sieben Siegeln, deshalb sind Aussagen hierzu spekulativ. Auf der Hand liegt jedoch, dass sich die Stromversorger glücklich schätzen können, die über eigene Kraftwerke verfügen, da sie erstens von den Preisen weniger abhängig sind und zweitens nur wenig oder sogar gar keine Elektrizität hinzukaufen müssen.
Handelsgeschehen und Referenzpreis „Phelix“
Von größter Bedeutung für das Handelsgeschehen ist der Physical Electricity Index, kurz „Phelix“. Er ist der ausschlaggebende Referenzpreis für Deutschland (und Teile Mitteleuropas) und markiert den Strompreis für unterschiedliche Zeiträume.
„Spothandel“: In diesem kommt der Strom für den aktuellen oder folgenden Tag in den Handel. Die Börsenteilnehmer können Stundenlieferungen von Strom bis 75 Minuten vor Beginn der betreffenden Stunde handeln.
„Intra-Day-Handel“: Ab 15 Uhr ist es möglich, Stunden des folgenden Tages zu handeln. Dies wird vor allem dazu genutzt, kurzfristige Engpässe zu beheben oder einen Überschuss zu verkaufen.
„Phelix-Future“: Darunter versteht man einen Terminvertrag; er bezieht sich auf Spotmarktpreise für Strom in zukünftigen Lieferperioden und ermöglicht den Handelsteilnehmern eine langfristige Planung und die Absicherung gegen Risiken. Es werden „Phelix-Futures“ für den jeweiligen Monat, die nächsten sechs Monate, sieben Quartale und sechs Jahre gehandelt.
Die Strompreis-Debatte
Seit Anfang/Mitte des Jahrtausends ziehen die Verbraucherpreise für Strom in Deutschland fast kontinuierlich an – obwohl hier ein freier Wettbewerb mit rund tausend Stromanbietern herrscht. Wie sich inzwischen herausgestellt hat, tragen an der Preisentwicklung die Stromkunden eine gewisse „Mitschuld“: Die Deutschen sind „Stromwechsel-Muffel“, bis 2010 hat hierzulande erst jeder zehnte Privathaushalt seinen Versorger bzw. Tarif gewechselt. Dadurch ist noch kein ausreichender Druck auf die Anbieter entstanden, ihre Preispolitik zu überdenken. Vielmehr sind diese in der Lage, ihre „Bringschuld“ auf das Börsengeschehen abzuwälzen und auf die Preisentwicklung in Leipzig zu verweisen. Was ist da dran? Alles und nichts, denn die verschiedenen Tages- und Terminpreise schwanken häufig sehr stark und lassen sich für alle möglichen Argumentationsketten verwenden.
Steigende Kosten: Möchte man die steigenden Beschaffungskosten für Strom in den Fokus rücken, orientiert man sich an den kurzfristigen Spotmarktpreisen: Tagesschwankungen von mehreren hundert Prozent kommen durchaus vor.
Sinkende Kosten: Will man hingegen die relative Stabilität der Beschaffungskosten in den Vordergrund rücken, orientiert man sich am langfristigen Terminmarkt – und wird gewahr, dass die Durchschnittspreise pro Megawattstunde in der zweiten Hälfte der Nullerjahre sogar gefallen sind!
Aufgrund dessen werfen kritische Stimmen den Platzhirschen des deutschen Strommarktes immer wieder vor, dass sie heimlich auf die Preise Einfluss nehmen würden. Einerseits beherrschen die vier größten Energiekonzerne Deutschlands (E.ON, RWE, EnBW, Vattenfall Europe) mit 80 Prozent Marktanteil den hiesigen Strommarkt, aber andererseits ist dieser Vorwurf ein Ausdruck von Paranoia oder Hilflosigkeit: die Entwicklung der Strompreise in Leipzig geht mit der Preisgenese an anderen europäischen Strombörsen einher. Verdeckte Absprachen oder gar Manipulationen erscheinen deshalb sehr unwahrscheinlich, zumal für die Beschuldigungen jeder Beweis fehlt.